„Orientiere Dein Handeln an repetetiven Mustern.“ lautet ein Gebot des systemischen Denkens. Dahinter steht die Überzeugung, dass eine Kontinuität in dynamischen Systemen nur durch die Wiederholung von Prozessmustern zu erklären ist.  Das gilt für problematische Zustände genauso wie für die angestrebten, guten  Zustände. Was also kann mit dem Motto „Muster brechen“ des anstehenden PM-Camps in Dornbirn gemeint sein? Mein Beitrag zur Blogparade.

Das Projekt Management Institute, um einfach eine der vielen Organisationen stellvertretend zu zitieren, definiert ein Projekt wie folgt:

„Ein Projekt ist ein zeitlich begrenztes Unternehmen, das unternommen wird, um ein einmaliges Produkt, eine Dienstleistung oder ein Ergebnis zu erzeugen.“

Wenn Projekte mit einmaligen Ereignissen umgehen, wie kann es dann dort Muster geben? Gibt es die nicht nur in wiederkehrenden Abläufen, also in Prozessen? Diesen Widerspruch muss ich häufig auflösen, die Frage wird in fast jedem meiner PM-Seminare gestellt (auch ein Muster).

Ich erkläre es so, dass das Projekt und der von ihm behandelte Gegenstand sehr wohl einmalig sein kann, der Weg von der Idee zum Projekt jedoch meistens ein ausgetretener Pfad durch das Unternehmensdickicht ist.

In vielen Unternehmen gibt es vordefinierte Lebenszyklusmodelle, die den Ablauf gleichartiger Projekttypen beschreiben und vorgeben. So werden IT-Projekte nach einem eigenen Modell aufgesetzt, Grundlagenforschungs-Projekte nach einem eigenen Modell und Improvement-Projekte nach einem eigenen Modell. Diese Modelle werden verstanden als Hilfestellung für Projektleiter und -mitarbeiter, weil sie die Erwartungshaltung der Organisation an das Projekt formulieren: Welche Leistung, welches Ergebnis, welches Dokument wird von uns zu welchem Zeitpunkt erwartet?

Für einen neuen, vielleicht noch unerfahrenen Projektleiter gibt das Lebenszyklusmodell mithin Sicherheit. Die Sicherheit, nichts zu vergessen, alle geforderten Leistungen zu erbringen, alle Erwartungen formal zu erfüllen, folglich alles richtig zu machen.

Die in den Lebenszyklusmodellen beschriebenen Muster sind also hilfreich, demnach gute Muster, oder?

Das Problem steckt in den kleinen Wörtchen „formal“. Das kommt von Form und der Formalismus an sich ist eine Betonung eben der äußeren Form und nicht des Inhaltes einer Sache. Ich kann mich bei der Umsetzung eines Projektes strikt an dessen Lebenszyklusmodell orientieren und formal alles richtig machen und trotzdem kommt am Ende nur Murks heraus: Operation gelungen, Patient tot.

Wenn ein Lebenszyklusmodell eines Unternehmens lediglich dazu dient, Formalismen zu bedienen, wird es von den Akteuren des Projektes nur selten als Hilfestellung sondern oftmals als einengendes Korsett empfunden. Darauf wird reflexhaft entweder mit Dienst nach Vorschrift reagiert, oder mit Unterlassungs- und Umgehungsversuchen im geduldeten Ausmaß. Keine guten Muster.

Formale Projektlebenszyklus-Modelle als Fokussierung auf Äußerlichkeiten

Ebenfalls als wiederkehrend beobachte ich die Mechanismen, mit denen Projektleiter berufen, ernannt, eingesetzt werden. Unterscheiden lassen sich dabei die bottom-up- von den top-down-Projekten.

Bei bottom-up entstehenden Projekten gibt einen von einem/er Mitarbeiter/in empfundenen Mangel in der Organisation, sei es im Rollenzuschnitt, dem Verantwortungsbereich oder der Ablauforganisation. Dieser Mangel wird an die vorgesetzte Führungskraft kommuniziert, die dann häufig mit Rückdelegation antwortet: „Daraus machen wir jetzt ein Improvement-Projekt und Sie werden es leiten.“

Was ist die Erkenntnis, die sich bei dem Mitarbeiter und dem Rest der Organisation einstellen wird? Der Überbringer der schlechten Botschaft – es gibt einen Mangel in der Organisation – wird mit zusätzlicher Arbeit, der Abstellung des Mangels, „bestraft“. Die Konsequenz? Wer nicht gerade die Absicht hat, sich durch ein solches Projekt zu profilieren, hält sich künftig mit entsprechenden Hinweisen auf Mängel zurück. Die Dysfunktion bleibt erhalten.

Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst.

Im Gegensatz dazu wird bei top-down-Projekten die Idee zum Vorhaben am grünen Tisch geboren. Für diese Idee wird ein/e Umsetzer/in gesucht und in sehr vielen Fällen wird dabei ausschließlich auf fachliche Kompetenz mit Bezug auf den Projektgegenstand geachtet. Wer ist unser bester Ingenieur, wer kann am schnellsten rechnen, am schönsten zeichnen? Das es zum Leiten von Projekten mehr und vor allem andere Fähigkeiten als reine Sachkenntnisse braucht, bleibt außen vor. Und so muss der frischgebackene Projektleiter fortan Dinge tun, die er entweder nicht mag, nicht kann oder nicht will. Das Unternehmen hat einen guten Sachbearbeiter verloren und einen schlechten Projektleiter gewonnen, eine Umsetzung des Peter-Prinzips in Reinkultur.

Das ist für sich genommen schon ein Muster, welches gebrochen gehört. Doch es geht weiter, die Organisation lernt auch in diesem Fall. Sie lernt, dass mit den Projektideen aus dem Management mehr Arbeit, mehr Verantwortung und daraus resultierend oft mehr Frust verbunden ist. Wer das nicht will, wird sich ducken und sich der Nomination als Projektleiter entziehen. Professor Kruse hat das einmal als „bend and wait“ bezeichnet. Frei übersetzt: Beuge dich vor, lass es an dir vorbeiziehen und warte ab. Und so werden weiterhin die falschen Leute zu Projektleitern.

Wer bei drei nicht auf dem Baum ist, wird Projektleiter.

Ein letztes Muster möchte ich noch anführen. Es gäbe noch weitaus mehr, doch dieses erscheint mir als besonders kritisch. Die Auftraggeber, Sponsoren und Lenkungskreise von Projekten nehmen ihre projektbezogenen Aufgaben oftmals falsch wahr. Sei es, weil sie sie nicht kennen, falsch interpretieren oder weil sie sich vor der damit verbundenen Verantwortung drücken.

Häufig werden Lenkungskreise nach Proporz besetzt. Da sitzen dann im schlimmsten Fall Frühstücksdirektoren zusammen, von jeglicher Sachkenntniss ungetrübt. Und entscheiden über Themen, deren Inhalte und Revelanz sich ihnen nicht erschließen. Ein gewiefter Projektleiter wird einem solchen Gremium das präsentieren, was es zu hören und zu sehen wünscht – Fortschritt im Projekt und lauter grüne Ampeln. Das Projekt wird dann von unten geführt. Das mag in Ordnung sein, solange es gut geht. Geht es aber nicht immer, siehe BER.

Unterstellen wir, dass ausreichend Fachexpertise im Lenkungskreis vertreten ist, ist das dennoch kein Garant für ein funktionierendes Gremium. Das magische Dreieck schlägt hier erbarmungslos zu – die Erkenntnis, dass Projekte immer ein Kompromiss zwischen Zeit-, Geld- und Inhaltszielen sind. Wenn der Lenkungskreis mit lauter Fachexperten besetzt ist, fehlt häufig der unternehmerische Weitblick, der Blick auf das große Ganze. Damit fehlt dann oft auch die notwendige Kompromissbereitschaft, das magische Dreieck auszubalancieren. Es kommt zum Hauen und Stechen unter den Gremiumsmitgliedern, Entscheidungen werden vertagt oder Vorschläge torpediert, weil sie nicht die eigenen sind. Die Amerikaner kennen das als not-invented-here-Syndrom.

Es fehlt, wie so oft, an der Führung.

Hier bräuchte es einen Projektsponsoren, der mit ausreichender hierarchischer Macht ausgestattet, solche Entscheidungen vorantreibt. Oft ist der Sponsor jedoch, gerade bei bottum-up-Projekten nicht klug gewählt, Teil des Lenkungskreises und damit auch Teil des Problemes. Oder die Übernahme der Sponsorenschaft war ein Lippenbekenntnis, eine Schönwetter-Zusage, die beim Dräuen der ersten Gewitterwolken am Projekthorizont zurück gezogen wird. Drum prüfe, wer sich bindet…

Ich habe mich bei der Benennung häufiger dysfunktionaler Muster bewusst auf die Initiierung von Projekten beschränkt. Der Weg von der Idee zum eigentlichen Projekt bietet viele Möglichkeiten, dem Reiz der falschen Muster zu erliegen. Diese Muster zu erkennen und zu brechen, gelingt meist nur mit externer Hilfe, die den Blick auf die blinden Flecke der Organisation lenkt.