Hinweis:

Diese Fallstudie ist im Rahmen der Evaluation unseres 12-Wochen-Programms entstanden. An der Evaluation nahmen insgesamt 3 Tester teil, die sich freiwillig gemeldet haben. Wir haben die Daten im Rahmen dieser Evaluation größtenteils anonymisiert erhoben und nur wenige Daten mit einer Zuordnung versehen, um die Datenpunkte über den Zeitverlauf hinweg besser auswerten zu können.  Diese Daten wurden ebenfalls zuerst anonymisiert erhoben und nach Abschluss der Testphase durch die Teilnehmenden zur Auswertung freigegeben. Für die vorliegende Fallstudie wurden die Daten zur Auswertung freigegeben, unter der Bedingung, dass die pro accessio GmbH & Co. KG die Fallstudie anonymisiert, d.h. ohne explizite Nennung des betreffenden Gerichts, veröffentlicht. Aus diesem Grund sprechen wir in dieser Fallstudie von „dem Gericht“. Kennwerte und Angaben, die eine eindeutige Identifizierung zulassen, werden gerundet berichtet.

Fallstudie: KCS am Gericht

Ausgangslage

Das Gericht ist mit dem Ausrollen eines mehrere weitere Gerichte betreffenden IT-Programms zur rechtssicheren elektronischen Kommunikation beauftragt. Das Projekt betrifft zunächst nur Gerichte und die gerichtsinterne Kommunikation, soll aber in mittelfristiger Zukunft auch für den Bürger zugänglich sein, was bedeutet, dass der Anwenderkreis sich zunächst langsam und dann schlagartig vergrößern wird. Damit einhergehend wird auch der Bedarf an Anwenderunterstützung in proportionalem Rahmen wachsen, was sich normalerweise im Personalbedarf niederschlagen müsste, damit die Betreuung und der Support der IT-Anwendung gut skalieren kann, und weiterhin gut verfügbar und zuverlässig ist. Um das Ziel digitalisierter Gerichte zu erreichen ist also entweder ein großer Investmentaufwand erforderlich, oder eine Strategie, die es dem Gericht erlaubt, seine Servicekapazität bei gleichbleibender Mitarbeiterzahl zu erhöhen.

Aus dieser Ausgangslage heraus wurde der Ansatz entwickelt, den Service rund um das IT-Programm mit Wissensmanagement zu unterstützen. Die Effekte des Ansatzes sollten sich dreifach bemerkbar machen:

  1. Die Verfügbarkeit von Wissen verringert Recherchezeiten und Abstimmungszyklen, sodass mehr Anfragen in kürzerer Zeit von denselben Sachbearbeitern abgearbeitet werden können, was den Bedarf an zusätzlichen Servicekräften für das IT-Programm langsamer steigen lässt, als ursprünglich befürchtet.
  2. Das verfügbare Wissen kann für die Nutzer des Programms direkt in Form eines Selbsthilfe-Portals verfügbar gemacht werden, sodass die Einbindung der Service-Kräfte für einzelne Fälle entfällt. Das reduziert das Anfragenvolumen der Servicekräfte, erlaubt den Anwendern einen schnelleren Zugriff auf die Lösung und reduziert weiter den zusätzlichen Personalbedarf.
  3. Das vorhandene Wissen erlaubt es neuen Servicekräften sich schneller in das Thema einzufinden und in der Unterstützung des IT-Programms wirksam zu werden. Dieses vorhandene Wissen erlaubt es also nicht nur, die wahrscheinlich zusätzlich benötigten Servicekräften schneller anzulernen, sondern auch in den besonders betreuungsintensiven Zeiten des Ausrollens auf neue Anwendergruppen (insbes. In Zukunft den Bürger) Servicekräfte temporär als Unterstützung abzuordnen, ohne von ihnen eine komplette Einarbeitung in das Thema fordern zu müssen.

Die Betreuung und der Anwendersupport sind zurzeit in der Organisationsabteilung des Gerichts angesiedelt und werden durch eine hauptsächlich betreuende Fachkraft und phasenweise zwei Unterstützer abgedeckt. Zum Zeitpunkt des Testlaufs des 12-Wochen-Programms stellt die Organisationsabteilung Support für ca. 2.500 interne Anwender. Pro Monat bearbeitet man ca. 25 Anfragen, Tendenz sinkend, da die aktuelle Rollout-Phase bereits seit etwa einem halben Jahr besteht.

Fragestellungen sind oft komplex und erfordern Rücksprache mit der herausgebenden Institution, sodass das Beheben von Problemen gut und gerne 6 Wochen in Anspruch nehmen kann, da die Fragestellung erst an die richtige Stelle eskaliert werden muss, an die Reihe kommen muss und erst dann gelöst und zurück berichtet wird. Di Komplexität ergibt sich aus den hohen Anforderungen an Sicherheitsstandards, die bei rechtssicherer Kommunikation wesentlich höher ausgeprägt sind, als in nahezu jedem anderen Anwendungsfall. Das eliminiert die Möglichkeit von Workarounds und Hotfixes, die übergangsweise implementiert werden können und später durch eine sichere Lösung ersetzt würden – die Lösung muss jederzeit vollständig und rechtssicher erfolgen.

Die betreuende Fachkraft arbeitet seit zwei Jahren in einer IT-unterstützenden Funktion und war bereits vor dem Programmstart KCS-v6-Practices-zertifiziert, sodass sie bereits Erfahrung in einem Pilotprojekt nach KCS-Prinzipien sammeln konnte. Die Nutzung des IT-Programms ist seit Anfang 2017 möglich und seit dem Jahr 2022 für die meisten Sachbearbeitenden rechtlich verpflichtend zu nutzen.

Von den ca. 25 monatlichen Anfragen können ca. 30% auf Anhieb gelöst werden, insgesamt 16% werden als „bekannt“ eingestuft. Für die übrigen 70% der Anfragen, die eskaliert werden müssen, ergibt sich eine Lösungszeit von ca. 6 Wochen.

Ziele

Der Wunsch des Gerichts war es, eine niedrigschwellig zugängliche Selbsthilfeplattform für die interne Nutzung bereitzustellen, die den Rollout auf die anderen, örtlich entfernt gelegenen Gerichte unterstützen würde. Dies sollte einen umfassenderen Support bedeuten, als sich weiter auf Vor-Ort-Betreuung verlassen zu müssen, die mit Dienstreisen u. ä. unterstützt werden müssten und deshalb nur sporadisch erfolgen könnte. Dieses Ziel lehnt an das Konzept von „Self-Service“ in der Knowledge Centered Service Methode an, würde jedoch auf einem technologisch wesentlich grundlegenderem Niveau erfolgen müssen, als es im KCS v6 Practices Guide umschrieben wird.

Der leichtere Zugriff auf Antworten zu häufigen Fragen sollte außerdem für mehr Sicherheit bei den Benutzern führen, was den Umgang mit dem neuen Programm anging und die einzelne Sachbearbeitung, die mit dem Thema Vollzeit betraut war, entlasten. Dieser Punkt ist besonders sensibel, da die hohen Sicherheitsanforderungen und die geringe Fehlertoleranz in der Justiz häufig zu einem IT-skeptischen Klima führen, in dem Anwender sich im Umgang mit er Technik schnell unsicher fühlen. Mehr Sicherheit durch einfach verfügbare Informationen hat das Potenzial, die häufigsten Sorgen im Umgang mit Software nicht zwingend aufzuheben, aber zumindest zu mildern.

Als indirektes Ziel wurde außerdem formuliert, besseres Feedback an die programmstellende Instanz geben zu können und mit der Selbsthilfe einen ersten Schritt in Richtung eines breit angelegten Online-Supports für den Bürger zu gehen, auch wenn das Ausrollen des Programms auf die Kommunikation mit der Bevölkerung noch keinen festen Stichtag hat.

Vorgehen

Das Team für die KCS-Umsetzung bestand aus einer Sachbearbeiterin und zwei weiteren Fachkräften, die unterstützend tätig wurden. Über den Programmverlauf hinweg verfestigte sich das Team jedoch auf die führende Sachbearbeitung, die das Programm letztendlich alleine beendete.

Die Umsetzung erfolgte im Groben nach der im Pilotprojekt „12 Wochen Programm“ beschriebenen Strategie zur Umsetzung von Knowledge Centered Service.[1] Der Start des Programmes erfolgte im späten Juli 2023 mit dem Assessment und der Erarbeitung der KCS v6 Practices Inhalte.

Das KCS Design fand hauptsächlich in der umschriebenen Projektgruppe und technisch unterstützt durch Microsoft OneNote und SharePoint statt. Derzeit gibt es Vorlagen zur Wissenserfassung, die die Dokumentation von Wissen erleichtern sollen, und die Lösungen zu Anfragen mit den relevanten Gesetzesgrundlagen verknüpfen. Da die Justizarbeit häufig auf das Urteilsvermögen der Sachbearbeitenden angewiesen ist, sorgt diese Verknüpfung für den notwendigen Anwendungskontext rund um die Lösung, die den Sachbearbeitungen ein flexibles Arbeiten mit den Lösungsentwürfen ermöglicht und häufig wichtige Dialoge rund um die vorhandenen Lösungen anstößt, die an die Software-stellende Instanz weitergeleitet werden können. Der Prozess sieht vor, das Wissen nach möglichst jedem Rechercheprozess zu dokumentieren, wenn die abschließende Antwort eingeht. Die digitale Kommunikation erhält die Diskussionsverläufe und ermöglicht somit, den Anwendungskontext zu erhalten.

Die Entscheidung gegen eine größere Design-Gruppe bzw. die Bildung eines größeren KCS-Rats wurde aufgrund der strukturellen Umstände getroffen: die Arbeitswege des Gerichts ermöglichen durch hohe fachliche Spezialisierung der einzelnen Sachgebiete nur eingeschränkt bereichsübergreifendes kollaboratives Arbeiten. Die Entscheidung fiel deshalb auch mit der Überlegung, dass das Programm zunächst nur den Status eines Pilotprojekts hatte, dessen weiteres Ausrollen noch nicht feststand.

Diese Umstände führen ebenfalls dazu, dass auf die Design Session Deliverables[2] eines Kommunikations-, Umsetzungs- und Schulungsplans verzichtet wurde (mit der Option diese nachzuholen, sollte das Pilotprojekt genug überzeugen um einen weiteren Rollout nach sich zu ziehen. In diesem Fall würde neben einer Kommunikation der Ausweitung des Programms auch eine Schulung zum Umgang mit Wissen in der Wissensdatenbank notwendig werden. Außerdem müssten die bisherigen Vorlagen und Prozesse daraufhin überprüft werden, ob sie für die Nutzung durch so viele Anwender weiterhin adäquat sind. In diesem Fall ist es möglich, dass ein Aufrüsten der Software zur Wissenserfassung unumgänglich wird.).

Auch ein Rollensystem und ein Kennzahlensystem wurden aufgrund des kleinen Umsetzungsrahmens nur vorläufig skizziert. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das Implementieren der klassischen KCS-Rollen zum aktuellen Zeitpunkt nicht mit dem Einstufungs- und Besoldungssystem einer Behörde vereinbar ist. Die Erhebung von leistungsbezogenen Kennzahlen ist darüber hinaus in Behörden unüblich und könnte vermutlich ebenfalls nicht im Sinne klassischer KCS-Arbeit umgesetzt werden.[3]

Stattdessen wurden ein Prozess und Inhaltsstandard und ein vorläufig nur das Projektteam betreffendes strategisches Rahmenwerk entwickelt. Aufgrund fehlender Optionen für einen Roll-Out auf andere Wellen hat das Gericht das Programm nach der Design Session mit nur einer Nutzerwelle, dem Projektteam, ausgerollt und diese Programmstruktur seit November 2023 getestet.

[1]

[2]

[3]

Ergebnisse

Da das Gericht keinen weiteren Rollout über die Projektgruppe hinaus durchführen konnte, sind Ergebnisse auf einer größeren Skala nachvollziehbar ausgeblieben. Durch den kleinen Anwendungsrahmen und die niedrig ausgeprägte Arbeit mit Kennzahlen konnten keine reliablen Messungen zu Veränderungen in Auslastung, Bearbeitungsgeschwindigkeit und Bearbeitungsaufwand durchgeführt werden , sodass wir uns für die Evaluation auf Schätzungen und Stichproben beziehen, die uns vom Gericht gemeldet wurden.
Über den Verlauf des Projekts konnte die Lösungszeit um 95% von 6 Wochen auf mehrere Tage reduziert werden. Dieses Ergebnis ist durch die Wissensdatenbank begünstigt, nichtsdestotrotz werden auch Lerneffekte der Sachbearbeitenden hierzu beigetragen haben, da wie erläutert die Umsetzung schon länger in der aktuellen Phase verweilte.

Sowohl die Rate bekannter Probleme als auch die Erstlösungsrate weisen einen erfreulichen Trend auf. Die Bekannt-Rate steigt zur Mitte des Programmverlaufs stark an und flacht zum Ende wieder etwas ab. Das ist eine typische Verlaufskurve, wenn ein Thema Stück für Stück erschlossen wird.
Zu guter Letzt sei die Erstlösungsrate erwähnt, die sich bis zum Ende des Programms auf nahezu 100% steigern konnte. Diese Entwicklung spricht für einen enormen Zuwachs einfach verfügbaren Wissens und eine starke Lernkurve bei der betreuenden Sachbearbeitung. Eine so hohe Erstlösungsrate verspricht darüber hinaus, dass das zur Verfügung stehende Wissen ausreicht, um nahezu alle Fragen zu lösen, was bedeutet dass dieses Wissen sich ebenfalls zur Nutzung durch den Anwender eignet, um Anfragen eigenständig zu lösen und folgerichtig die Mitarbeitenden im Service zu entlasten.
Das leicht rückläufige Fragevolumen ist mit Sicherheit auch darauf zurückzuführen, dass bei den Anwendern eine Gewöhnung an das Programm eingesetzt hat und die erste Lernkurve überwunden ist, nichtsdestotrotz ist sie auch ein Hinweis, dass das zur Verfügung gestellte Wissen zu einem Rückgang der Frage, die an eine Fachkraft weitergeleitet werden mussten, geführt hat.

Zusätzlich zur Auswertung der geschätzten Programmergebnisse erfolgte außerdem eine qualitative Auswertung, in der die Projektgruppe ihr Erleben mit dem Wissensmanagement im Alltag beschreibt.
Die Wissensdatenbank in OneNote lässt sich dank des Inhaltsstandards leicht füllen und gut pflegen. Der Prozess trägt positiv dazu bei, ist aber noch ausbaufähig und wird zum aktuellen Zeitpunkt (2 Monate nach Programmende) eher unregelmäßig verfolgt.
Die entstandenen Wissensartikel werden als wertvoll und arbeitssparend erlebt und sichern das Wissen leicht zugänglich und nutzbar außerhalb der Vorgangsbearbeitung. Mit der Zeit sieht die Projektgruppe großes Potenzial für die Wissensdatenbank, insbesondere für den Fall das eine Freigabe zur Nutzung durch andere Sachgebiete erteilt wird.
Die Projektgruppe verweist für diese Einschätzung auf die Erfahrungswerte mit dem Pilotprojekt, bei dem die OneNote-Wissensdatenbank in einen SharePoint umgewandelt wurde, der dem gesamten Gericht intern zugänglich ist. In diesem Projekt zeigen sich inzwischen, ein Jahr nach der Veröffentlichung in SharePoint, ein Rückgang wiederholter bekannter Anfragen, die die betroffenen Sachbearbeitungen entlasten und eine positive Rückmeldung der Mitarbeitenden des Gerichts. Diese empfinden den SharePoint als nützliche und zuverlässige Wissensquelle für Anwenderfragen. Der positive Eindruck wird dadurch verstärkt, dass vermehrt Anfragen von verbundenen Institutionen (wie anderen mit der Software betrauten Behörden) angetragen werden, die Positives über die Wissensdatenbank von Nutzern hören.
Insgesamt beschreibt die Projektgruppe das Programm als positiv, mit dem Wermutstropfen, dass man einen größeren Effekt erzielen könnte, wenn einem großflächigerem Rollout stattgegeben würde. Dies ist aktuell aufgrund der Zuständigkeiten und Freigabewege nicht in Reichweite. Man ist überzeugt, größere und vor allem messbare Erfolge erzielen zu können, wenn die Freigabe für ein Wissensmanagementprogramm auf größerer Skala erfolgen würde . Aufgrund der unten angeführten Hindernisse ist davon allerdings trotz der beeindruckenden Ergebnisse derzeit nicht auszugehen.

Hindernisse

Wir möchten an dieser Stelle noch einmal besonders auf die Hindernisse eingehen, die das Gericht von einer „klassischen“ KCS-Umsetzung abgehalten haben und die zu dem lokal begrenzten Ergebnis geführt haben, das ursprünglich weitgreifender geplant war.

Zunächst muss auf die stark hierarchisch geprägte Kultur hingewiesen werden, die zu Teilen in starkem Kontrast mit den KCS-Prinzipien steht und keine auf Geschwindigkeit ausgelegte liberale Umsetzung der Lösungsschlaufe zulässt. Generell sorgt die Hierarchie dafür, dass Entscheidungen generell langsamer getroffen werden können, da das Einbeziehen der relevanten Interessengruppen und Entscheidungsträger mit Bearbeitungsfristen verknüpft ist, die den Rahmen des 12-Wochen-teslaufs bei weitem überschritten haben. Die Hierarchien führen auch zu stark siloartiger Arbeit, in deren Rahmen das Teilen von Wissen mit einer Entscheidung über die Hoheit einer Abteilung über ein Thema zusammenhängt – was weiterhin schnelle Veränderungen verhindert.

Ein anderes Hindernis, das in einer Behörde wie dem Gericht wahrscheinlich schwerer wiegt, als in Unternehmen der freien Wirtschaft, ist die Ausstattung und Anpassung von Software, die für das Wissensmanagement genutzt werden kann. Änderungen müssen umfassend bei der zuständigen Stelle angestoßen werden, und eine ausreichende Anzahl an Personen betreffen, um angestoßen zu werden – Rahmenbedingungen, die in diesem Pilotprojekt nicht erfüllt werden konnten und dazu geführt haben, dass sich das Projektteam mit OneNote und SharePoint beholfen haben und dadurch auf einige KCS-Funktionen wie die automatisierte Erfassung von Wiederverwendungen etc. nicht nutzen konnten, was das quantitative Auswerten des Programms unmöglich gemacht hat. Das Aufgabensystem entspricht darüber hinaus nur rudimentär den Ticketsystemen, mit denen die meisten Unternehmen derzeit arbeiten, mit denen eine Überprüfung der Nutzung von Wissen wesentlich leichter erfolgen kann, als händisch jemals möglich wäre.

Status Quo

Unter den aktuellen Umständen wird das Projekt nicht offiziell fortgeführt. Die Projektleitung empfindet die Organisation, die KCS in die Wissensarbeit gebracht hat, als positiv und nützlich und wird vor allem die Arbeit der Lösungsschlaufe für sich selbst weiterführen und dort, wo Interesse bekundet wird, zur Mitarbeit ermuntern. In Anbetracht der hoch erfreulichen Ergebnisse des Pilotprojekts ist zu hoffen, dass dieses Vorgehen verfängt. Es besteht derzeit die Bestrebung, das Projekt in anderen Fachbereichen zu wiederholen.

In benachbarten Abteilungen und Behörden wird ab und an nach Mitnutzung der Wissensdatenbank gefragt, die Freigabe dafür liegt allerdings außerhalb der Hände der Projektleitung und bei den jeweiligen Geschäftsleitungen der Gerichte bzw. verbundenen Behörden. Von dieser Stelle sind zum aktuellen Zeitpunkt keine Pläne für Erweiterungen oder Freigaben der Wissensdatenbanken über ihren aktuellen Bestand hinaus geplant.

Das Wissensmanagement nimmt damit zur Zeit eine Wartehaltung ein, da bekannt ist, das an der Technologie und der Struktur der Arbeit und Sachgebiete entsprechende Anpassungen nötig wären, um Wissensmanagement auf einer größeren Skala zu leben. Zum aktuellen Zeitpunkt sehen die Geschäftsleitungen dafür weder Kapazitäten, noch Ressourcen oder einen ausreichend relevanten Anlass, um diese hierfür umzudisponieren. Die enorme Reduktion der Lösungszeit, sowie die Steigerung der Erstlösungsrate sind reizvolle Argumente für eine solche Investition, sollte sich der Freiraum dafür in der Haushaltsplanung auftun.

Diskussion

So erfreulich es ist, dass das Programmteam mit den erzielten Ergebnissen zufrieden ist, muss doch die Frage erlaubt sein, ob ein so kleiner Rahmen sich als Grundlage für eine Fallstudie eignet, wenn viele der Marker, die mit dem Erfolg oder Misserfolg einer KCS-Umsetzung aufgrund der Umstände nicht angegangen werden konnten.

Von einer wissenschaftlichen Perspektive lässt sich sicher kritisieren, dass die vielen Umweltfaktoren, die insbesondere in den Hindernissen beschrieben wurden, die externe Validität dieser Erhebung stark vermindern – was bei einer qualitativen Erhebung wie dieser grundsätzlich nicht unüblich ist. Die abgeleiteten Ergebnisse lassen sich sicher nur auf einen kleinen Interessentenkreis anwenden und sind daher für die meisten Interessenten, die ein solches Programm in der freien Wirtschaft einsetzen würden, nicht aussagekräftig.

Die Fallstudie ist dort wertvoll, wo ähnliche Vorzeichen herrschen, was in erster Linie andere Behörden meint. Mit der grundlegenden Thematik der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen in Behörden leistet diese Fallstudie keinen großen Beitrag zur Schätzung der Wirtschaftlichkeit des Programms, sondern viel mehr zur Frage, ob solche Wissensmanagementansätze, deren Bedeutung mit zunehmender Digitalisierung steigt, im Behördenkontext überhaupt praktikabel sind und einen Nutzen haben. Diese Frage bejahen wir mit Blick auf die Ergebnisse ausdrücklich. Die Ziele, die ein Gericht an sein Wissensmanagement formuliert unterscheiden sich offensichtlich von denen eines wirtschaftlich ausgerichteten Unternehmens, was jedoch nicht heißt, dass diese Ziele weniger wertvoll sind. Wenn Wissensmanagement eine wichtige Brücke über die IT-Skepsis der Anwender bauen kann, wäre an dieser Stelle schon viel gewonnen.

Dass die Antworten auf die Frage nach dem Nutzen und der Machbarkeit sehr verschieden ausfallen, sollte vor allem zeigen, dass es sich hierbei um keine bequeme Quick-Fix-Lösung handelt, sondern um ein Projekt mit weitreichenden strukturellen Herausforderungen, die angegangen werden müssen, um den vorhandenen Nutzen wirklich instrumentalisieren zu können.

Zum aktuellen Zeitpunkt können wir im Rahmen dieser Fallstudie einen Nutzen bescheinigen, müssen aber aufgrund der Einschränkungen und Herausforderung ausdrücklich festhalten, dass die erforderliche Anstrengung die zu investieren wäre, die Kosten-Nutzen-Rechnung stark belastet und uneindeutig ausfallen lässt. Dieses Thema ist allerdings in dem wesentlich umfassenderen Themenkomplex der Digitalisierung deutsche Behörden beheimatet, zu dem wir uns keine Meinung anmaßen werden.

Verweise

Consortium for Service Innovation. (13. November 2020). The Evolve Loop. Abgerufen am 22. August 2023 von library.serviceinnovation.org: https://library.serviceinnovation.org/KCS/KCS_v6/KCS_v6_Practices_Guide/030/040

Consortium for Service Innovation. (18. Oktober 2022). Exit Criteria for Plan and Design. Abgerufen am 22. August 2023 von library.serviceinnovation.org: https://library.serviceinnovation.org/KCS/KCS_v6/KCS_v6_Adoption_Guide/010_Plan_and_Design/060_Exit_Criteria_for_Plan_and_Design

Consortium for Service Innovation. (2022). KCS v6 Adoption and Transformation Guide. San Carlos: Consortium for Service Innovation. Abgerufen am 25. 02 2022 von https://library.serviceinnovation.org/KCS/KCS_v6/KCS_v6_Adoption_Guide/010_Plan_and_Design/020_Getting_the_Right_People_Involved

Consortium for Service Innovation. (17. August 2023). The Solve Loop. Abgerufen am 22. August 2023 von library.service.innovation.org: https://library.serviceinnovation.org/KCS/KCS_v6/KCS_v6_Practices_Guide/030/030