Hinweis:
Diese Fallstudie ist im Rahmen der Evaluation unseres 12-Wochen-Programms entstanden. An der Evaluation nahmen insgesamt 3 Tester teil, die sich freiwillig gemeldet haben. Wir haben die Daten im Rahmen dieser Evaluation größtenteils anonymisiert erhoben und nur wenige Daten mit einer Zuordnung versehen, um die Datenpunkte über den Zeitverlauf hinweg besser auswerten zu können. Diese Daten wurden ebenfalls zuerst anonymisiert erhoben und nach Abschluss der Testphase durch die Teilnehmenden zur Auswertung freigegeben. Für die vorliegende Fallstudie wurden die Daten zur Auswertung freigegeben, unter der Bedingung, dass die pro accessio GmbH & Co. KG die Fallstudie anonymisiert, d.h. ohne explizite Nennung des betreffenden Gerichts, veröffentlicht. Aus diesem Grund sprechen wir in dieser Fallstudie von „der Bank“. Kennwerte und Angaben, die eine eindeutige Identifizierung zulassen, werden gerundet berichtet.

Ausgangslage
Die Tester unseres Programms waren zwei Mitglieder der IT-Serviceabteilung einer Bank, die insgesamt um die 2 Mio. Kunden betreut. Der genaue Anwendungsbereich war der IT-Helpdesk, in dem pro Monat ca. 200 Fragen rund um die Softwarenutzung im Rahmen des Banking beantwortet werden. Die Fragen reichen dabei von typischen Anwenderfragen bis zu komplexen Fragen rund um Compliance und IT-Sicherheit, die von den Mitarbeitenden des Helpdesk beantwortet werden.
Das Serviceteam der Bank, die unser Programm getestet hat, hatte zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Jahren versucht, ein systematisches Wissensmanagement aufzubauen und hatte dafür bereits Kompetenzen aufgebaut. Diese Vorarbeit sorgte dafür, dass die Hauptansprechpartner für das Programm mit der Knowledge Centered Service Methode bereits umfassend vertraut waren und daher mit einem fachlichen Vorteil in das Programm gestartet sind. Das Projektteam bestand daher aus einem Tandem, dass sich die Arbeit entsprechend der eigenen Auslastung aufgeteilt hat.
Die Arbeit des Serviceteams bezog sich hauptsächlich auf die technische Unterstützung von alltäglichen Bankprozessen und -abläufen und ist dadurch im Gegensatz zu vielen anderen KCS-Umsetzungen von besonderen Limitationen betroffen, da an das Wissen und die Zuverlässigkeit der Antworten besonders hohe Anforderungen gestellt werden. KCS spricht in diesem Zusammenhang von Compliance-Wissen, das im Gegensatz zu erfahrungsbasiertem Wissen einen besonderen Umgang fordert und daher nicht dieselben Effizienzpotenziale freigibt wie erfahrungsbasiertes Wissen.
Der große Vorteil von KCS besteht in diesem Kontext daher nicht in der rapiden Dokumentation und Wiederverwendung von Wissen, sondern in einer erhöhten Sicherheit beim Wiederverwenden von Wissen, das von einer zuverlässigen Quelle abgesichert wurde.
Zum Start des Programms lagen keine standardisiert erhobenen Servicekennzahlen vor, sodass die meisten Verbesserungen sich auf die Wahrnehmungen der Tester uns ihrer Kollegen beziehen.
Die geschätzte Lösungszeit zu beginn lag bei 6.3 Tagen für die 50% der Anfragen, die nicht auf Anhieb bearbeitet werden konnten. Eine Stichprobe zeigt, dass es sich bei ca. 30% der Anfragen um wiederkehrende Anfragen handelt, zu denen zum Zeitpunkt der Bearbeitung bereits eine validierte Lösung vorlag, die jedoch nicht zwangsläufig genutzt wurde. Die Hoffnung war, dieses vorhandene Wissen effizienter wiederzuverwenden und somit Lösungszeiten zu verkürzen und Zeitressourcen zurückzugewinnen.
Ziele
Das erklärte Hauptziel war, nach einer langen Phase in der Startversuche für das Wissensmanagement nicht wirklich verfangen wollten, ein Programm von Anfang an aufzuziehen und umzusetzen. Dabei würde es sich um einen sogenannten „Guerilla-Ansatz“ handeln, also eine Initiative aus dem Team heraus, die nicht vom Management vorgeschrieben wurde. Das Programm wäre erfolgreich, wenn sich eine Fallstudie ableiten ließe, mit der man das Management überzeugen könnte, Wissensmanagement in die Strategie mit aufzunehmen.
Da es zum Start des Projekts nur wenige Kennzahlen gab, die erhoben werden konnten, war von vornherein klar, dass die Veränderungen durch das Programm vor allem in Form von Schätzungen und dem Empfinden der Betroffenen erhoben werden würden.
Vorgehen
Das Bank-Team meldete sich im Juli zu unserem 12-Wochen-Programm an uns begann mit der Bearbeitung der Module. Diese kam relativ schnell ins Stocken, da durch fehlende Deckung von Oben häufig andere Themen eine höhere Priorität zugewiesen bekamen und dadurch das Wissensmanagement nach hinten gedrängt haben.
Das Programm wurde deshalb kurz nach dem Assessment gestoppt und erst im November wieder aufgenommen und bis zur Design Session abgeschlossen. Eine entsprechende Umsetzung konnte bis Ende des Evaluationszeitraums nicht mehr angegangen werden. Somit erfolgte die Nutzung des entworfenen Prozesses vor allem durch das Projekttandem selbst. Dadurch sind skalierende Effekte ausgeblieben, jedoch konnten einzelne Trends abgeleitet werden:
Ergebnisse


Da keine Messinstrumente zur Verfügung standen und auch nicht nachträglich im Verlauf des Programms implementiert werden konnten, gibt es keine reliabel gemessenen quantitativen Daten, die eine Veränderung belegen.
Stattdessen greifen wir auf Schätzungen und Stichprobenerhebungen der Tester zurück, um ein Bild des Programmverlaufs zu zeichnen.
Trotz des kleinen Umsetzungsrahmens konnte eine Veringerung der durchschnittlichen Lösungszeit auf ca. 3 Tage erwirkt werden. Darüber hinaus konnte eine Verbesserung der Erstlösungsrate auf ca. 95% zur Mitte des Programms hin beobachtet werden. Bis zum Ende des Programms blieb diese auf Konstant hohem Niveau, was bei derart guten Werten auf einen Deckeneffekt zurückzuführen sein kann.
Am Anteil wiederkehrender Fragen hat sich über den Projektverlauf hinaus nicht viel getan, was zu erwarten gewesen war: eine Steigerung dieses Werts geht mit einer hohen Anzahl erstellter Artikel einher. Da neben dem Projekttandem nur geringe Beteiligung am Projekt stattgefunden hat, konnten nicht ausreichend Wissensartikel erstellt werden, um einen merklichen Effekt auf das Bekannt-zu-Unbekannt-Verhältnis zu haben.
Nach eigener Aussage der Tester hat ihnen das Programm geholfen, das Thema Wissensmanagement besser für sich auszudefinieren, sodass sie in Zukunft das Thema selbstbewusster und zielgerichteter Vorstellen können.
Mit den eigenen Pilotversuchen sind sie zufrieden und empfinden das Arbeiten nach dem entworfenen Design als angenehm. Das Ziel bleibt weiterhin, für mehr Unterstützung für das Thema zu werben, da aktuell ohne weitere Priorisierung und Rückhalt von Oben die Grenzen des Machbaren ausgeschöpft sind.
Hindernisse
Diese Fallstudie litt, wie viele Fallstudien in kleinen KCS-Teams, vor allem unter den geringen Zeit-, Personal- und Budgetressourcen, die die Tester dazu zwangen, sich bei vielen Gestaltungsentscheidungen mit Notlösungen und Minimalversionen zufrieden zu geben. Daraus folgte eine schwierige Ausgangslage für die Motivation der beteiligten Teammitglieder, die bis zum Ende des Evaluationszeitraumes nicht aufgelöst werden konnte. In der Folge fühlte sich das Programm für die Tester streckenweise sehr schwerfällig an, was sich auf die eigene Motivation niederschlug und zu Auszeiten führte, die das Programm wiederum auf einen längeren Zeitraum ausdehnte, als ursprünglich geplant war.
Status Quo
Seit der Einführung hat sich die Wissensarbeit auf einem beständigen Niveau eingependelt, das eine Verbesserung zum Beginn des Programms darstellt, allerdings hinter den Erwartungen der Tester zurückgeblieben ist. Den Hauptgrund sehen die Programmverantwortlichen vor allem in der geringen Unterstützung für das Wissensmanagement-Programm, das ursprünglich höher ausgelobt worden war. Nichtsdestotrotz ist man mit dem Design zufrieden und wird die Wissensarbeit auf dem bestehenden Niveau fortführen, bis der nötige Rückhalt aus der Führungsebene herausgearbeitet wurde. Die trotz der geringen Ressourcen erreichten Steigerungen in den Kennwerten geben jedenfalls einen Anhaltspunkt, dass der zusätzliche Rückhalt für das Programm gut investiert wäre.
Diskussion
Es ist wichtig, festzuhalten, dass das Projekt Wissensmanagement unter Umständen gestartet wurde, die nur schwer mit Erfolgen vereinbar sind. Dazu kommt eine sehr kurze Umsetzungsdauer in der Praxis, sodass das Stabilisieren der Kennzahlen auf dem berichteten Niveau in vielerlei Hinsicht das von vornherein einzig realistische Ergebnis war, dass aus diesem Projekt herauskommen konnte.
Effektiv handelt es sich um explorative Ergebnisse, die sich nicht zwingend auf andere Umsetzungen übertragen lassen und deren interne Validität zur Debatte steht. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei den vorliegenden Ergebnissen um die bestmögliche Fallstudie, die mit den vorhandenen Mitteln erarbeitet werden konnte. In dieser Hinsicht ist das Ziel, einen erste Beweis für den Nutzen von Wissensmanagement am Arbeitsplatz zu bringen, erreicht worden.
Da die Skala, auf die sich das Programm ausweiten könnte, unklar ist, und die Umsetzung unter größtenteils widrigen Umständen entstanden ist, ist es gut möglich, dass das Potenzial von Wissensmanagement durch diese Fallstudie sogar unterschätzt wird. Weitere Erhebungen, insbesondere auf einer etwas größeren Skala sind deshalb empfehlenswert.