Hinweis:

Diese Fallstudie ist im Rahmen der Evaluation unseres 12-Wochen-Programms entstanden. An der Evaluation nahmen insgesamt 3 Tester teil, die sich freiwillig gemeldet haben. Wir haben die Daten im Rahmen dieser Evaluation größtenteils anonymisiert erhoben und nur wenige Daten mit einer Zuordnung versehen, um die Datenpunkte über den Zeitverlauf hinweg besser auswerten zu können.  Diese Daten wurden ebenfalls zuerst anonymisiert erhoben und nach Abschluss der Testphase durch die Teilnehmenden zur Auswertung freigegeben.

Ausgangslage

Die Actricity AG ist ein international ausgerichtetes IT-Unternehmen aus der Schweiz, das seit Spin-Off von der Codex-Gruppe 2015 als Start-Up beständig gewachsen ist und sich einen soliden Stand im Markt erarbeitet hat[1]. Das Unternehmen hat sich eine Kundenbasis aufgebaut, mit der es vertrauensvoll zusammenarbeitet und sich etabliert hat. Die Zeichen stehen weiterhin auf Wachstum, was für die Firma bedeutet, dass sie strategisch die Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass dieses Wachstum sich nicht in ineffizienten Strukturen verläuft. Einer der Bereiche, der als strategischer Hebel identifiziert wurde, ist das Wissensmanagement.

Eine steigende Kundenbasis geht oft mit proportional steigenden Bedarfen an Support und Service einher. Dieser kann mit wachsendem Headcount begegnet werden, was allerdings mit einer Handvoll eigener Herausforderungen einhergeht:

Zum einen benötigt der Rekrutierungs- und Einarbeitungsprozess Zeit – der Zeitpunkt einer Einstellung kann daher nicht immer optimal an den wachsenden Kundenbedarf angepasst werden. Oft führt dies zu einer Imbalance, die für das Bestandspersonal einen enormen Mehraufwand und häufig Überstunden bedeutet, bis die nachrückenden Kollegen in der Lage sind, die zusätzliche Belastung adäquat abzufangen. In der Lernphase der neuen Kollegen fallen deshalb häufig die Servicekennzahlen ab, da diese erst Wissen über die bedienten Produkte aufbauen müssen und häufig länger brauchen, um bekannte Lösungen zu recherchieren.

Ein Wissensmanagement kann dem entgegenwirken, indem es das Wissen vorab zur Verfügung stellt, damit Neuzugänge zum Team einen Wissensfundus haben, auf den sie zurückgreifen können und der ihnen erlaubt, früh selbstständig zu Arbeiten.

Die Entscheidung, das 12-Wochen-KCS-Programm zu testen fiel, weil der Projektleiter, Thomas Kasser, mit der Methodologie bereits in einem früheren Arbeitsverhältnis gearbeitet hatte und die Arbeitsweise als nützlich empfunden hatte. Die Teilnahme am Projekt erfolgte proaktiv, da es zum Programmstart keine Hinweise auf eine schlechte Wissensarbeit gab (Erstlösungsrate geschätzt bei 50-77%, Lösungszeit ca. 1,6 Stunden). Mit einer Schätzung von 30% wiederkehrenden Anfragen lag die Actricity AG in einem Rahmen, der für Knowledge Centered Service Ansätze definitiv interessant ist.[2]  Bei einem Anfragenvolumen von ca. 200 Anfragen pro Monat fühlten sich die Anforderungen an die Wissensarbeit bewältigbar an, vor dem Hintergrund des geplanten Wachstums schien es also ein optimaler Zeitpunkt, die Wissensarbeit zu optimieren, bevor sich Verlusteffekte durch ineffiziente Wissensnutzung einschleichen und zu einer Überlast kumulieren konnten, oder die Einführung von KCS neben dem Tagesgeschäft nicht mehr bewältigbar wäre.

[1]

[2]

Ziele

Die Actricity AG plante beim Start des 12-Wochen-Programms ein Wissensmanagement aufzubauen, dass ein Wachstum unterstützt.

Für die Auslastung bedeutet das, dass eine sinkende Lösungszeit Kapazitäten freimachen soll, um die wachsende Kundennachfrage zu bedienen, während der Headcount moderat aufgestockt werden kann. Die Wissensdatenbank soll dabei ebenfalls als Stütze im Onboarding nutzbar sein, um schneller mehr Kompetenz und eigenständiges Arbeiten zu ermöglichen und damit die Einarbeitungszeit zu verkürzen.

Mittelfristig ist der Wunsch, die Wissensdatenbank derart zu füllen, dass ein Self-Service-Portal aufgebaut werden kann, dass den Anwendern ermöglicht, ihre Anfragen eigenständig, ohne Kontakt zum Service, zu lösen, sodass idealerweise der Servicebedarf langsamer steigt, als das Kundenwachstum.

Das Rollout sollte sich idealerweise auf das ganze Serviceteam, nach Programmende dann auch auf das gesamte Unternehmen beziehen. Damit dieser Schritt gegangen werden kann, soll im Rahmen des Piloten das Programm so weit ausgearbeitet werden, dass die Prozesse möglichst einfach gestaltet werden und glatt laufen, und möglichst viele Anfangsfehler ausgemerzt sind.

Vorgehen

Das KCS Programm der Actricity AG wurde von einem Programmleiter angeleitet, der bereits in der Vergangenheit Erfahrung in der Implementation von Knowledge Centered Service sammeln konnte. Im Zeitraum zwischen Juli bis Dezember 2023 bearbeitete das Unternehmen das 12-Wochen-Programm, das im Sommer aufgrund der Urlaubszeit kurzfristig gestoppt werden musste und im Herbst wieder aufgenommen werden konnte. Ansonsten wurden alle Module in der vorgestellten Reihenfolge und bis auf die angesprochenen Auszeiten im zeitlichen Rahmen erledigt.

De Umsetzung erfolgte zunächst nur im Service-Bereich, und soll ab Mitte 2024 stückweise auf das gesamte Unternehmen ausgerollt werden.

Die Umsetzung orientiert sich stark an klassischen KCS-Rahmenlinien[1] und weist nur wenige Änderungen auf, die vor allem mit der Größe des Unternehmens zu tun haben. So gibt es beispielsweise keinen ausschweifenden Wellenplan und keine Verbindungen zum Marketing-Team, da eine eventuelle Öffnung des Online-Portals noch in der Zukunft liegt. Es ist daher ein gutes Vergleichsbeispiel für andere Start-Ups und Klein- bis mittelständische Unternehmen, die sich ein Bild davon machen möchten, wie ein Wissensmanagementprogramm bei ihnen aussehen kann.

[1]

Ergebnisse

Über den Beobachtungszeitraum von 24 Wochen konnten noch keine zuverlässigen Veränderungen an den eingangs berichteten Kennzahlen verzeichnet werden .
Während die Lösungszeit stagniert ist, sollte festgehalten werden, dass diese mit 1,6 Stunden von vornherein recht niedrig ausfiel, was auf einen Bodeneffekt hinweisen kann. (Die Actricity AG selbst erwartet aktuellen Trends folgend eine Reduktion auf ca. 1 Stunde) Allerdings konnten wir über den Programmverlauf eine leichte Steigerung des Anteils bekannter Fragen an den eingehenden Anfragen feststellen, sowie eine Stabilisierung der Erstlösungsrate auf einem hohen Niveau von über 95%. Zusammen betrachtet legen diese Ergebnisse nahe, dass im Unternehmen eine hohe Vertrautheit mit den Produkten und eine hohe Verfügbarkeit von Wissen erzielt werden konnte, bevor das Programm überhaupt gestartet wurde. Das unterstützt die Annahme der Projektleitung, dass jetzt ein Wissensmanagement zu etablieren vor allem eine Präventivmaßnahme ist. Bei einsetzendem Wachstum wäre ein halten der aktuell sehr guten Servicekennzahlen bereits ein großer Erfolg für das Programm.
Da jedoch über die Hälfte des Zeitraums für die Planung und Gestaltung des Programms investiert wurden, scheint der Beobachtungszeitraum darüber hinaus zu kurz gewählt, um überhaupt aussagekräftige Ergebnisse erzielen zu können, die sich signifikant von Zufallsschwankungen abheben.
Die Pilotgruppe empfindet das Programm bisher nach eigener Aussage als gut in den Arbeitsalltag integriert und hilfreich, hat aber schon jetzt einige weiterreichende Anpassungen an die Software geplant, insbesondere im Bereich der KPI-Dashboards, die in der zweiten Hälfte das Jahres 2024 genauere Auskünfte zur Entwicklung und den Auswirkungen des Wissensmanagements ermöglichen sollten. Wir hoffen, diesen Bericht zu diesem Zeitpunkt aktualisieren zu können.

Hindernisse

Als größtes Hindernis wurde empfunden, die zeitlichen Ressourcen von Input-Gebern zu bekommen, um das Assessment und die Design Session durchzuführen. Die wichtigsten Einflussfaktoren hierauf waren die Urlaubszeit im Sommer direkt zu Beginn des Programms, aber auch die tendenziell dünnere Personaldecke, die bei Start-Ups im Vergleich zu etablierteren größeren Unternehmen solche zusätzlichen Belastungen schlechter abfängt.

Status Quo

Bisher wurden der Inhaltsstandard und der Wissenssammlungs-Prozess implementiert. Beide werden bisher gut von den involvierten Kollegen angenommen und als wertvolle Unterstützung und nur geringe Zusatzbelastung empfunden. Das Kennzahlenrahmenwerk ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch nicht vollständig implementiert, sondern wird gerade in KPI-Dashboards implementiert. Aus diesem Grund war zum Abschluss der Messungen innerhalb der Evaluation eine genauere Programmsteuerung gerade noch nicht möglich, was ein Optimieren der Vorgehensweise über das Originaldesign zu diesem Zeitpunkt leider verhindert hat. Die Actricity AG hat dieses Reporting seither seither verfeinern können und uns freundlicherweise Daten zur Entwicklung der Artikelerstellung und zur KCS-Nutzung bereitgestellt.

Diskussion

Während die Rückmeldungen bisher sehr vielversprechend sind und die Einführung von Wissensmanagement zu keinen negativen Konsequenzen geführt hat, reicht die Datenlage zu diesem Zeitpunkt nicht aus, um eine Verbesserung nachzuweisen. Die bisher vorliegenden Ergebnisse haben daher explorativen Charakter und indizieren lediglich eine Entwicklungsrichtung, deren genauerer Verlauf in weiteren Erhebungen erforscht werden muss.

Das hat vor allem mit den Einschränkungen in der Datenerhebung zu tun. Zum einen findet die Intervention erst in den letzten 3 Wochen des Programms statt, wenn das gestaltete Programm ausgerollt wird. Zum anderen war aufgrund der fehlenden Kennzahlendashboards die Qualität der eingangs erhobenen Daten nicht so hoch, dass Vergleiche wirklich sinnvoll erscheinen. Wir sind deshalb gespannt, wie sich das Programm in der ersten Jahreshälfte von 2024 entwickelt.

Verweise