Im heutigen Teil der kurzen Serie über Bilder der Organisation beschreibe ich die Metapher von der Organisation als Gehirn. Bei diesem Bild wird sich der Gedanke an eine lernende Organisation von ganz alleine einstellen.

Bei dieser Metapher herrschen die folgenden Ansätze vor. Zum Einen wird das Gehirn als informationsverarbeitendes, intelligentes, lernendes System angesehen. Zum Anderen wird der Bezug zu holografischen Systemen gezogen, die in jedem ihrer Teile auch das Ganze repräsentieren.

Eine zentrale Frage bei diesen Ansätzen ist, ob man Organisationen so gestalten kann, dass sie wie ein vollständig funktionierendes Gehirn lernen und sich selbst organisieren können. Während Systeme sich in der Regel an einem Ziel und seiner Verfolgung orientieren, lernt das menschliche Gehirn durch (negatives) Feedback („Lernen durch Schmerz“). Auf Organisationen übertragen hieße das, sie können lernen, wenn es ihnen gelingt, die den Lernprozess behindernden Faktoren auszuschalten.

Hindernde Faktoren können zum Beispiel überbordende Bürokratie sein oder auch Führung, die in dysfunktionalen Symbiosen der Verantwortung ihrer Rolle nicht nachkommt. Förderlich wäre hingegen eine Kultur, die Fehler als normal ansieht und sich nicht auf die Klärung von Schuldfragen versteift. Die durch Reflektion die Möglichkeit verschiedener Standpunkte und Wirklichkeiten akzeptiert und sich durch Normen, Richtlinien und Strukturen leiten, aber nicht einschränken lässt.

Der bereits erwähnte Chris Argyris hat dieses Prinzip „Doppelschleifen-Lernen“ genannt. Beim Einschleifen-Lernen setzt sich die Organisation auf der Grundlage der Normen und Richtlinien eigene Ziele und verfolgt sie. Wenn durch die entsprechenden Handlungen die Ziele nicht erreicht werden, werden zwar die Handlungen überdacht und ggfs. korrigiert, aber nicht die Grundannahmen in Frage gestellt. Dies passiert erst beim double loop learning:

Single loop vs. double loop learning nach Chris Argyris, © Darstellung von blogery.ch

 

Der zweite wichtige Aspekt der Gehirnmetapher ist der holografische Charakter des Gehirns. Reineck und Anderl haben ihn in ihrem Buch „Prozessberatung“ wie folgt beschrieben:

  • Nimm das Ganze in die Teile mit auf.
  • Schaffe Verknüpfung und Redundanz.
  • Bilde simultane Spezialisierung und Generalisierung.
  • Sorge für Fähigkeit zur Selbstorganisation.

Auf diese Weise werde auch die Verantwortung nicht mehr weitergeschoben, denn jeder sei gleichermaßen für das Ganze zuständig. Damit kommen in dieser Metapher die Lern- und Selbstorganisationsfähigkeiten von Organisationen verstärkt in den Blick.

Stärken der Metapher

Die Metapher legt nahe, Organisationen als offene Lernsysteme zu gestalten. Zielorientierung als Unternehmensleitbild ist schön und gut. Es braucht aber ebenso eine Offenheit für Analyse und Selbstkritik. Mit der Vermeidung von schädlichen Einflüssen räumt die Metapher dieser Haltung eine höhere Priorität ein. Gleichzeitig können holographisch organisierte Unternehmen gut in komplexen Situationen standhalten.

Schwächen der Metapher

Auch diese Metapher hat ihre Schwächen. Eine Gefahr liegt darin, die Konflikte zwischen Lernen und Selbstorganisation sowie Macht und Kontrolle zu übersehen. Machtstrukturen in Systemen sind häufig am Machterhalt interessiert. Diesem Interesse widerspricht der Gedanke der Selbstorganisation in der Gehirn-Metapher, die dafür zu liberal gestaltet ist. In Unternehmen herrscht oft eine Kultur von Passivität und Abhängigkeit, in der die für offenes Lernen notwendige Neugier und Flexibilität an Konkurrenzdenken und Herrschaftswissen ausgebremst werden.

Erweiterung der Metapher für Veränderungen

Im Internetzeitalter sind der technische Fortschritt in IT und prozessuale Optimierung im Knowledge Management wichtige Treiber für Unternehmen mit dieser Metapher. Angestachelt durch die ständige Verbesserung der Infrastruktur laufen Veränderungen in diesen Systemen ständig und immer zu. Die Abläufe sind dabei oftmals „schwarmintelligent“ und relativ personenunabhängig. Eine Intervention würde an diesen Punkten ansetzen können.