Wenn wir mit Kunden und Interessenten über KCS und den Nutzen von Self-Service sprechen, fällt dabei manchmal der Begriff Callvermeidung. Wenn deren Endkunden den angebotenen Self-Service aktiv nutzen, werden sie viele Probleme selber lösen können. Als Resultat erreichen weniger Anrufe und eMails das Servicecenter, das ist die sogenannte Callvermeidung. Warum ich den Begriff für problematisch halte, will ich im folgenden erklären.

Ich bin der Überzeugung, dass der Begriff Callvermeidung und noch viel mehr die dahinter stehende Haltung uns als Support- und Servicebranche nicht gut zu Gesicht steht. Denn die Assoziation mit dem Begriff ist, „wie verhindern wir, dass Serviceanfragen unsere Mitarbeiter erreichen?“ Vor meinem Auge erscheint dabei ein Lotusblatt, von dem die Wassertropfen abperlen. Wollen wir uns wirklich eine solche „Teflon-Haltung“ zu eigen machen?

Kundenanfragen von sich abperlen lassen zu wollen impliziert, dass wir in Verbindung mit unserem Serviceangebot primär an Kosteneinsparung denken. Mehr Serviceanfragen benötigen mehr Zeit zur Bearbeitung, da Service nun einmal ein personalintensives Geschäft ist. Wenn es uns also gelänge, durch eine Strategie der Callvermeidung weniger Supportanfragen bearbeiten zu müssen, könnten wir Geld sparen. Klingt schlüssig, oder?

Callvermeidung, echt jetzt?

Damit untergraben wir das Grundprinzip, wofür Service- und Support-Organisationen existieren. In unseren KCS-Workshops stellen wir relativ früh genau diese Frage an unsere Teilnehmenden: „Warum hat eure Firma eine Serviceabteilung, was ist eure Daseinsberechtigung?“ Glücklicherweise hören wir in den letzten Jahren immer häufiger die richtigen Antworten: „Wir sind dazu da, unsere Kunden erfolgreicher zu machen.“

Seine Kunden macht man erfolgreicher, indem man ihnen eine möglichst vollständige Wertaneignung der gekauften oder lizensierten Leistung zuteil werden lässt. Oder indem man ihnen beim Auftreten von Fehlern möglichst schnell wieder zur Produktivität verhilft. Wer eine Self-Service-Strategie allein damit rechtfertigt, über die Zeit weniger Kundenanfragen zu erhalten, verfolgt aus meiner Sicht das falsche Ziel. Das versuche ich unseren Kunden mit einer einfachen Frage zu erläutern: „KCS wird euch durch Effizienzgewinne zu mindestens 20 Prozent mehr Servicekapazität (Arbeitszeit eures Personals) verhelfen – wofür wollt ihr diese gewonnene Zeit nutzen?“

What is your 20?

Wenn die Servicemitarbeiter 20 Prozent mehr Arbeitszeit gewonnen haben und wir keine Pläne haben, was wir mit dieser Zeit anfangen wollen, ist das ein Problem. Das Potential dieser zusätzlichen Kapazität kann ich dann nämlich praktisch nur heben, indem ich Leute entlasse. Das wiederum kann doch bitte nicht das Ziel unserer Initiative sein, oder? Wenn wir das kollektive Wissen der Organisation als heiligen Gral beschwören, um dann zur Kostenreduktion Leute einzusparen, machen wir uns komplett lächerlich.

Sicherlich braucht es eine interne Rechtfertigung für ein so umfangreiches Veränderungsvorhaben wie Wissensmanagement und Self-Service. Für die Kalkulation des Business Cases ist es daher eine bewährte Strategie, das Einsparpotential durch mehr Effizienz und ausbleibende Service Calls zu beziffern. Unsere Assessment Workshops im Vorfeld von KCS-Einführungen zeigen denn auch oft Potential für Einsparungen von über 60 % (nur Lohnkosten) bzw. über 30 % (Vollkosten) auf. Dabei gehen wir oft nur sehr konservativ von ca. 10-15 Prozent Effizienzgewinn durch Wiedergebrauch bestehenden Wissens aus. Tatsächlich sind es nach der Einführung dann meist noch bessere Zahlen. Das alleine würde die meisten Projekte bereits rechtfertigen. Das Self-Service-Portal ist dann meist nur das Sahnehäubchen obendrauf.

Digitalisierung, Automation, Mehrwertdienste,…

Was aber stellen wir mit der gewonnenen Zeit sinnvoll an? Die meisten unserer Kunden entscheiden sich für einen Ausbau ihres Angebots-Portfolios oder dem Einsatz von neuer Technologie für die Automatisierung im Service. Self-Service-Portale, Chatbots, Live-Chat-Apps, Communities sind Teil einer soliden Strategie zur Kundenbindung. Wenn wir auch bekannte Probleme über Self-Service-Mechanismen gut beantworten können, gibt es im Support-Center immer noch neue Probleme, auf die wir reagieren müssen. Denn dass sich mit der Einführung von Self-Service das Verhältnis von „new vs. known“ verschieben wird, haben sich unsere Kunden aus dem Vorgespräch mit uns gemerkt. Viele denken daher frühzeitig über Intelligent Swarming nach.

Durch die Verknüpfung der beiden Methoden KCS und Intelligent Swarming ergibt sich eine schlagkräftige Kombination: Wie bringe ich Personen mit Inhalten für bekannte Probleme zusammen („wissen, wo es steht“ – KCS) und wie bringe ich Personen mit Personen für neue Probleme zusammen („wissen, wer es weiß“ – Intelligent Swarming)? Und beides in dem Kommunikationskanal, der dem Kunden am besten geeignet scheint und den er gewählt hat. Das ist eine kluge Strategie, wie sie von vorausschauenden Service- und Support-Führungskräften zukunftsorientiert entwickelt wird. Sie haben verstanden, dass eine Reduktion von Service-Anrufen und -eMails kein Selbstzweck sind, sondern einem höheren Ziel dienen: dem Schaffen von noch mehr Nutzen für unsere Kunden!

Callvermeidung ist der Ausdruck von fehlender Kundenorientierung

Darum möchte ich an meine Branchenkollegen appellieren, auf den Begriff Callvermeidung künftig zu verzichten. Stattdessen sollten wir uns gemeinsam überlegen, wie wir den Kontakt zu unseren Kunden intensivieren können. Mehr Kontakt gestattet tieferen Austausch und ein besseres Verständnis für die tatsächlichen Bedürfnisse von Kunden und Anwendern wären das Resultat. Das bessere Verständnis wiederum erlaubt uns, passgenauere Angebote und Services zu entwickeln. Damit wäre allen besser gedient.

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Wir sind übrigens

KCS Trainer und Aligned Service vendor zertifiziert und anerkannt durch das Consortium for Service Innovation

Kundenstimmen

„We are thrilled to have Kai Altenfelder join our elite group of Certified KCS Trainers. Kai not only brings rich experience as trainer and consultant he has had first hand experience with KCS in an operational environment as an early adopter of KCS at SUSE Linux / Novell. Kai recently hosted a KCS Practices v5 workshop in Stuttgart. Congratulations to our first group of KCS Practices v5 Certified people in Germany!”

Greg Oxton, Executive Director, Consortium for Service Innovation

Der Trainer war zu jeder Zeit flexibel, hilfsbereit und praxisnah. Er hat das Thema KCS sehr verständlich und nachhaltig transportiert. Ich kann sowohl den Workshop als auch den Trainer nur weiterempfehlen.

A. Lechner, Knowledge Management Methods, Continental AG

Danke Herr Altenfelder! Sie haben wirklich keine Mühe gescheut, den Online Kurs über KCS Practices so bereichernd und umfassend zu gestalten, dass man mit maximalem Gewinn heraus geht. Es wurde nie langweilig und es war jederzeit möglich, jede Frage und Unklarheit zu besprechen. Mir hat der Kurs geholfen, von dem Gefühl zur Gewissheit überzugehen, dass KCS vielen drängenden Anforderungen dieser Zeit gerecht wird. Das Wissen aus dem Kurs kann ich nun anwenden. Überall wo Wissen geteilt werden soll, macht KCS Sinn – und Spaß – und das sowohl Mitarbeitern wie auch Kunden! Ich empfehle Sie und die Methodologie gerne weiter.

J. Thebe

“ […] Knowledge Management ist ein Thema von Menschen für Menschen – und diesen Geist verkörpert ihr mit viel Charme und Authentizität.

Bleibt menschlich so wie ihr seid und macht einfach weiter so. […]“

F. Lehmann , Schwarz IT KG