Stellen Sie sich vor, Ihr Drucker im Büro geht kaputt und Sie benötigen dringend Ersatz. Sie machen, was man in solchen Fällen macht: Sie recherchieren im Internet die aktuell erhältlichen Druckermodelle, und suchen sich nach Kriterien wie Kaufpreis sowie den laufenden Druckkosten ein passendes Modell aus.

Bei der Auswahl des Online-Handels gehen Sie nach günstigstem Preis, Verfügbarkeit im Lager, Schnelligkeit der Lieferung und einer guten Bewertung durch andere Kunden vor. Nachdem Sie Ihre Wahl getroffen haben, suchen Sie die Webseite des Händlers auf und geben Ihre Bestellung online auf.

Da Sie zum ersten Mal bei diesem Anbieter bestellen, müssen Sie Vorkasse leisten. Der Online-Shop bietet die Verfolgung Ihrer Bestellabwicklung an, und so sehen Sie dort also nach und nach die Auftragsbestätigung, den Zahlungseingang und schließlich die Versandbenachrichtigung erscheinen.

Der Zustelldienst liefert ein paar Tage später ein großes Paket, Sie öffnen es und stellen fest, dass ein Teil Ihrer Bestellung nicht enthalten ist. Weder im Karton noch auf dem Lieferschein taucht der zusätzliche Papiereinzug auf, den Sie bestellt haben. Sie suchen daraufhin wieder den Onlineshop auf, prüfen Ihre Bestellung, Ihren Zahlungseingang, Ihre Versandbenachrichtigung – alles scheint in Ordnung zu sein.

Also rufen Sie den Shop an, um nach dem Verbleib des Papiereinzuges zu fragen. Dies ist der Augenblick, in dem Sie zum ersten Mal einen Kontakt, zumindest telefonisch, mit einem Mitarbeiter Ihres Dienstleisters haben.

Der Mitarbeiter fragt nach Ihren Bestelldaten, prüft sie in seinem Computer, während Sie am Telefon warten. Es gibt ein technisches Problem im Computer, der Mitarbeiter kann Ihnen im Moment keine konkrete Auskunft geben. Er verspricht aber, sich um Ihre Anfrage zu kümmern und stellt einen Rückruf später am Tag in Aussicht.

Der Rückruf erfolgt nicht, nicht am selben Tag und auch nicht an den Folgetagen.

Sie rufen wiederum den Onlineshop an, dieses Mal haben Sie eine Kollegin des ersten Mitarbeiters am Apparat. Sie geben Ihre Bestellnummer an und wollen gerade ansetzen, Ihr Anliegen zu erklären. Da werden Sie von der Mitarbeiterin unterbrochen mit dem Hinweis, die bestellte Ware würde aus zwei Lägern versendet. Die Teillieferung könne um bis zu einer Woche später eintreffen. Irritiert wenden Sie ein, dass die eine Woche inzwischen verstrichen, die Ware aber immer noch nicht da sei.

Während die Mitarbeiterin daraufhin ihren Computer nach dem Verbleib der Ware befragt, äußern Sie die Anregung, dass der Umstand des Versandes in zwei Teillieferungen doch während der Bestellung, spätestens jedoch bei Auftragsbestäigung oder der Versandnotiz erfolgen könne. Das würde sowohl den Kunden als auch den Mitarbeitern den Stress weiterer Nachfragen ersparen.

Sie hätte keinen Stress, antwortet die Mitarbeiterin. Das mag sein, wenden Sie ein, doch Sie selber wären unter Zeitdruck, weil die bestellte Ware noch immer nicht bei Ihnen eingetroffen sei und Sie schon wieder hinterher telefonieren müssten. Und immerhin hätten Sie Vorkasse geleistet.

Der Stress des Kunden wäre ihr „sowas von egal“, antwortet die Mitarbeiterin, „dafür gebe es Ärzte“.

Sie sind sprachlos. Die Ankündigung der Mitarbeiterin, Sie könne über den Verbleib der Sendung nichts sagen, man würde Sie später am Tag zurückrufen, hören Sie nur noch mit einem halben Ohr. Völlig fassungslos legen Sie den Hörer auf.

„Für Stress der Kunden gibt es Ärzte.“

Alles erfunden, rein fiktiv, so würde ein Online-Versender seine Kunden nicht behandeln, meinen Sie?

Leider nein, die Geschichte hat sich genauso abgespielt. Ich war der Kunde und die SAMbase GmbH in Gießen ist der besagte Online-Händler.

Das Beispiel zeigt sehr anschaulich, dass gute Technik und selbst noch so ausgefeilte Geschäftsprozesse keine Gewähr für Erfolg sind, wenn die eigenen Mitarbeiter das Versprechen über die Qualität des Kundendienst Lügen strafen. Es ist unabdingbar, dass Ihre Mitarbeiter sich über die eigene Rolle im Klaren sind: Machen Sie ihnen immer wieder bewusst, wer die Gehälter zahlt. Das ist nicht der Chef, das sind die zufriedenen Kunden, deren Erwartungen erfüllt, besser noch übertroffen werden.

Apropos Erwartungen. Meine waren nicht erfüllt und das habe ich dem später anrufenden, ersten Mitarbeiter gesagt. Der hat sich dann sehr engagiert, den Verbleib des Paketes zu klären. Aber auch er konnte nicht retten, was nicht zu retten war. Das Paket kam nicht am gleichen Tag, kam nicht am nächsten Tag, kam auch nicht über das Wochenende. Erst am Dienstag wurde ein neuer Zustellversuch gestartet, der dann erfolgreich war. Das Engagement des Mitarbeiters von SAMbase endete schlagartig, als ich ihm vom Erhalt der Ware schrieb. Bis dahin hatte er mich immer gefragt, was er denn noch für mich tun könne.

Nun könnte man meinen, das wären Einzelthemen, die auf den unteren Hierarchieebenen einfach mal vorkommen können. Leider scheint das Nichteinhalten von Zusagen aber die gängige Methode bei SAMbase zu sein. Ich habe den Geschäftsführer angeschrieben, um ihm von meinen Erlebnissen zu berichten. Das geschah in der Annahme, dass er nicht wissen könne, was sich seine Mitarbeiter den Kunden gegenüber heraus nehmen. Er schrieb zurück und kündigte seinen Anruf am folgenden Tag an – darauf warte ich bis heute.

Was ist an diesem konkreten Fall zu analysieren?

  • Der Bestellvorgang im Onlineshop von SAMbase macht keine Angaben über Lieferzeiten, provoziert also eigentlich unnötige Rückfragen.
  • Der Shop berichtet über den erfolgten Versand der Ware, schweigt sich aber über die Teillieferungen mit unterschiedlichen Laufzeiten aus.
  • Die Mitarbeiter von SAMbase machen Zusagen, die sie nicht einhalten. Das zieht sich vom einfachen Vertriebsmitarbeiter über den Produktmanager bis zum Geschäftsführer durch.
  • Die Vertriebsmitarbeiter sind offensichtlich in Kundenkommunikation nicht geschult worden, wissen weder wie man die Stimmungen von Kunden erkennt noch wie man sich auf sie einstellt.
  • Es gibt keinen erkennbaren Mechanismus, der eskalierte Kundensituationen auf eine höhere Hierarchiebene befördert und dort zu einer schnelleren Lösung führt.

Die Missstände wären abstellbar, wenn das Management es denn wollte. Die Mitarbeiter sind in professioneller Kommunikation zu schulen. Sie sind in den Abläufen zu stärken, müssen eigene Entscheidungen treffen dürfen, um Kunden zufrieden zu stellen. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen, die Zufriedenheit der Mitarbeiterregelmäßig überprüft werden. Zu guter Letzt sind die Bestellabläufe im Onlineshop darauf hin zu überprüfen, welche Erwartungshaltungen sie erzeugen und ob es die Erwartungen sind, die die Kunden haben sollen.